Was ist Scrum Poker?

Scrum Poker – auch bekannt als Planning Poker – ist eine kollaborative Methode zur Schätzung von Aufwänden in agilen Teams. Sie wird im Backlog Refinement oder Sprint Planning eingesetzt, wenn ein Team den relativen Aufwand einzelner Aufgaben (Product Backlog Items) einschätzen möchte.

Die Methode wurde ursprünglich von James Grenning (2002) entwickelt und durch Mike Cohn in seinem Buch “Agile Estimating and Planning” bekannt gemacht.

Warum überhaupt schätzen?

Schätzen hilft nicht, um Termine zu erraten – sondern um ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln:

  • Wie komplex ist diese Aufgabe?
  • Welche Risiken oder Unklarheiten stecken darin?
  • Welche Abhängigkeiten bestehen?

Scrum Poker schafft also Transparenz und ein kollektives Verständnis über das, was getan werden soll – bevor es getan wird.

Der Ablauf in Kürze

  1. Das Team bespricht ein Backlog-Item. Der Product Owner erklärt, was die Aufgabe umfasst.

  2. Alle wählen verdeckt eine Zahl. Typisch ist die modifizierte Fibonacci-Reihe: 0, ½, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 20, 40, 100

  3. Alle decken gleichzeitig auf. So werden Ankereffekte (Beeinflussung durch andere) vermieden.

  4. Diskussion über Unterschiede. Die Teammitglieder mit den kleinsten und größten Werten erklären ihre Sicht.

  5. Zweite Abstimmung. Nach der Diskussion wird erneut abgestimmt, bis Konsens oder Annäherung besteht.

Das Ergebnis ist eine Zahl – ein Story Point –, der nicht Zeit misst, sondern relative Komplexität.

Warum Menschen schlecht schätzen können

Menschen sind evolutionär nicht darauf ausgelegt, abstrakte Zeitaufwände präzise einzuschätzen. Unser Gehirn arbeitet heuristisch – also mit Annäherungen statt mit exakten Kalkulationen.

Typische Fehlerquellen:

  • Ankereffekt: Die erste Zahl prägt alle weiteren.
  • Planungsfehlschluss: Wir unterschätzen systematisch Dauer und Aufwand.
  • Optimismusbias: Wir glauben, diesmal gehe es schneller.
  • Unsichtbares vergessen: Tests, Abhängigkeiten, Abstimmungen fallen oft unter den Tisch.

Scrum Poker adressiert genau das:

Indem das Team gemeinsam schätzt, gleicht es individuelle Wahrnehmungen und kognitive Verzerrungen aus.

Vom Schätzen zur Empirie

Scrum basiert auf Empirie – Entscheidungen werden auf Grundlage beobachteter Realität, nicht auf Vorhersagen getroffen. Schätzungen dienen also dazu, Hypothesen zu bilden, die später überprüft werden.

Nach einigen Sprints weiß ein Team:

  • Wie viele Story Points es im Durchschnitt pro Sprint schafft (Velocity).
  • Wie sich tatsächliche Umsetzung zur ursprünglichen Schätzung verhält.

So entsteht eine empirische Basis für Prognosen:

Das Product Goal umfasst 120 Story Points, unsere Velocity liegt bei 30 → voraussichtlich 4 Sprints.

Das ist kein Versprechen, sondern eine beobachtete Tendenz.

Menschlicher Aspekt: Vertrauen statt Kontrolle

Scrum Poker ist auch eine kulturelle Praxis. Sie fördert:

  • Offenheit: Jeder darf seine Sicht äußern.
  • Respekt: Unterschiedliche Einschätzungen werden erklärt, nicht bewertet.
  • Commitment: Das Team steht gemeinsam hinter seiner Einschätzung.

Es geht also nicht um Kontrolle, sondern um Verständigung und Verantwortung – der eigentliche Kern agiler Zusammenarbeit.

tl;dr

Schätzen ist keine exakte Wissenschaft, sondern eine soziale Lernpraxis. Scrum Poker macht diese Praxis sichtbar:

  • Wir erkennen Unterschiede in Wahrnehmung und Erfahrung.
  • Wir lernen gemeinsam, besser einzuschätzen.
  • Wir ersetzen Bauchgefühl durch empirisches Wissen.

Scrum Poker ist daher weniger ein Werkzeug zur Aufwandsschätzung – sondern ein Werkzeug für gemeinsames Lernen, Transparenz und Empirie.

Glossar:
  • Scrum Poker – Gemeinsames Schätzen relativer Aufwände im Team.

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